Wenn Kinder zur Welt kommen, bekommen sie ihre genetische Prägung von den beiden Eltern mit. Ein unver- wechselbarer neuer Mensch entsteht. Und schon allein dies ist spannend, wie bei Geschwisterkindern aus dem gleichen genetischen Material so unterschiedliche Kinder entstehen können. Bereits im Mutterleib beginnt das Baby, Erfahrungen aus seiner Umwelt aufzunehmen, zu verarbeiten und sich zu entwickeln. Dieser Prozess wird bis zum letzten Atemzug nicht mehr aufhören: Menschen nehmen Umwelteinflüsse auf, reagieren darauf und verändern sich. Eine der prägendsten Umwelteinflüsse stellen – zumindest in den ersten Jahren – die Eltern dar. Mütter und Väter prägen ihr Kind. Sie sind maßgeblich daran beteiligt, ihre Kinder zu formen, ob sie das wollen oder nicht.
Eltern formen ihre Kinder
Wenn wir das so zur Kenntnis nehmen, dann zeigt dass, in welcher Verantwortung Mütter und Väter stehen. Sie sind ein Vor-Bild, wenn Kinder sich bei ihnen abschauen, wie das Leben funktioniert und wie man im Leben klar- kommt. Doch es muss nicht bei der Passiv-Variante bleiben. Wir können auch ein bisschen steuern, wie wir unsere Kinder formen. Wie das gehen kann, möchte ich vergleichen mit einer Schmiede. Hier werden Metalle geformt. Und zunächst gilt das Sprichwort: Du musst das Eisen schmieden, so lange es heiß ist. So lange Kinder noch klein sind, ist vieles einfacher, wenn sie Verhaltensweisen einüben, die sie im Leben gut gebrauchen können. Dinge, die sich bei den Teenagern verfestigt haben, die nicht so günstig sind, lassen sich deutlich schwerer ändern, als wenn sie das Verhalten noch nicht so tief geprägt haben. Denn das, was wir tun, werden wir können. Aber welche Funktion haben Eltern beim Schmieden? Machen sie ihnen Feuer, härten sie das Eisen ab, löschen sie kleine Brände, formen sie sie mit dem Hammer? Alles stimmt vielleicht zeitweise ein bisschen, aber im Wesentlichen sind Eltern der Amboss.
Wenn es darum geht, Kinder zu formen, sind Eltern der Amboss und nicht der Hammer.
Die Erlebnisse, die auf Kinder einwirken, sind wie kleine „Schicksalsschläge“. Da müssen Eltern in aller Regel nicht noch so viel mehr hinzufügen. Viele Ereignisse sind dazu angetan, damit Kinder an ihnen lernen. Aber sie lernen nur, wenn sie Eltern haben, die ihnen dafür eine stabile Grundlage geben. Das ist zunächst eine stabile und liebevolle Beziehung. Da können Kinder sich anlehnen. Es gilt, einfach da zu sein. Ein Fixpunkt zu sein, wenn sich für Kinder Veränderungen ergeben. Wenn der Amboss fehlt, dann nützt der Hammer nichts. Dann wird das Metall zwar getroffen, es formt sich aber nicht. Nur das Dasein und Dagegenhalten ist seine Funktion. Der Amboss schwingt keinen Hammer. Er schlägt nicht, er hält aus.
Das Sein formt mehr als das Tun
So auch die Eltern, die ihre Kinder formen wollen: Sie halten aus, was die Kinder gerade erleben. Sie sind da, sie enthalten sich jeglicher Bemerkungen, die den Druck zusätzlich erhöhen (Die beliebtesten Bemerkungen sind „Habe ich doch gleich gesagt“ oder „Siehst Du“). Das, was die Kinder an Folgen ihres Tuns erleben, reicht aus, um sie zu prägen und zu formen, wenn sie es denn erleben dürfen im Schutzraum einer Familie.
Und es ist etwas Großes, wenn Eltern ihre ganz eigene Prägung mit einbringen dürfen. Wie beim Schmieden die Prägung nicht durch den Hammer erfolgt, sondern durch die Oberfläche des Ambosses, so prägen Eltern durch ihr Sein ihre Kinder. Indem sie so sind, wie sie sind – ohne freilich so bleiben zu müssen, wie sie sind. Denn sowohl Ambosse als auch Eltern verändern sich im Laufe der Zeit. Ich finde, das ist eine gute Nachricht: Wir dürfen unsere Kinder formen durch uns selbst und wir können auch das, was uns einmal geprägt hat, verändern.
So wünsche ich Ihnen gutes Gelingen in der Lebenschmiede.