Welche drei Schlagworte fallen dir ein, wenn du an die erste Zeit des faz halle zurückdenkst?
1. Unbeschreibliches Wohlwollen Seiten des Landes, bei der Finanzierung eines Familienzentrums mitzuwirken.
2. Gute Ideen und Angebote aber wenig Nachfrage
3. Genialität des mobilen Ansatzes: „Wir gehen dorthin, wo Familien sind.“
Welche Rolle hast du in der Geschichte des faz halle gespielt?
Ich war seit August 1989 als Referent für Familienarbeit beim Jungmännerwerk angestellt und erlebte zu Beginn meiner Arbeit die Wende in vollen Zügen und mit gravierenden Konsequenzen. Eine davon war, dass plötzlich sozialpolitische Arbeit gefragt war und ich mit anderen ein Engagement für Familienpolitik organisierte. Das hatte auch Auswirkungen auf die Haushaltsdebatten im Landtag und führte zu einer besseren Förderung der Familienarbeit. Wir erhielten Geld für die Geschäftsstelle und ich musste berufsbegleitend studieren, um die nötige Qualifikation zu erwerben.
In diese Zeit fiel das Bemühen der Besitzerin des ehemaligen CVJM Hauses in der Geiststraße 29 um eine Rückführung. Sie wollte, dass in dem Haus wieder CVJM Arbeit gemacht wird. Neben vielem ehrenamtlichen Engagement rund um die Gründung des CVJM Halle und den Ausbau des Hauses ging es auch um Finanzierungen zur Sanierung des völlig runtergekommenen Hauses. Ich bemühte mich damals um den Ausbau eines Teils als Familienzentrum. Meine Diplomarbeit hatte den Titel: „… Darstellung der geschichtlichen Entwicklung der Familienbildung und exemplarische Untersuchung der Situation der Stadt Halle“. Das war die Grundlage für die Antragstellung und bot auch gute Argumente für die Unterstützung in der Stadtverwaltung. Mit 180.00€ konnten wir den Ausbau anpacken. Somit würde ich mich als „Vater“ des Familienzentrums beschreiben.
Welche größte Herausforderung musste in der ersten Zeit gemeistert werden?
Es gab große Vorbehalte seiten des Jugendamtes, unsere Arbeit zu befürworten. An eine finanzielle Unterstützung war damals gar nicht zu denken. Da es in der Nachbarschaft bereits ein Familienzentrum gab, hatten wir einen schweren Stand. Aber mit der Profilierung auf die Themen Teenager, Paare und mit dem mobilen Ansatz haben wir uns gut in das entstehende Netzwerk eingearbeitet.
Unsere Personaldecke war dünn. Ich war am Anfang der einzige Hauptamtliche mit noch vielen anderen Arbeitsaufträgen und Verantwortlichkeiten. Dann bekam ich Verstärkung durch zwei ABM – Mitarbeiterinnen (s. Artikel von Annett).
Die größten Herausforderungen aber waren Geduld, Flexibilität und Durchhaltevermögen. Es galt viele Vorbehalte gegen den CVJM zu zerstreuen und es brauchte viel Zeit, bis wir die Menschen erreichten, für die wir ein Programm anboten. Diese drei Eigenschaften zeichnen unsere Arbeit bis heute aus, auch wenn sicher neue dazugekommen sind.
Welche normale Praxis aus dem Arbeitsalltag wäre heute undenkbar?
So sehr viel hat sich da nicht geändert. Beispiel: Der ständige Kampf gegen die bürokratischen Auswüchse an Unterschriftenlisten, Formalitäten und Abrechnungstabellen. Oder Die Umsetzung kreativer Ideen auch manchmal ohne die eigentlich nötige Förderung. Wir haben manches trotzdem gemacht, haben Projektideen solange umgeschrieben, bis sie passten und haben mit großer Beharrlichkeit manchmal sogar Richtlinienveränderungen bewirkt, damit wir unsere Arbeit so breit aufstellen konnten, wie wir es taten (Bspl. Familienwerkstatt).
Was ist für dich der größte Meilenstein bzw. die größte Weiterentwicklung in den 25 Jahren faz halle?
Da muss ich weiter zurückschauen. 1995 war das internationale Jahr der Familie. Da gab es tiefgreifende Impulse. So durfte ich bei der Entwicklung und dem Aufbau des Gemeinde-Ferien-Festivals „Spring“ mitwirken und auf CVJM Gesamtverbandsebene führten wir mit vielen Akteuren ein Familienfestival im Rahmen des KOMMT-Festivals durch. Es war eine Aufbruchzeit und fast wären wir mit unserer Arbeit als „Familienkompetenzzentrum“ für den CVJM Deutschland erkoren worden.
Dann natürlich neben der Sanierung des faz auch die Sanierung der Turnhalle 2001.
Inhaltlich denke ich voller Dank und Stolz an die Familienkonferenzen in Dassel, die Elternschultüte, die kreativen Väter-Kind-Projekte und die Familienwerkstatt.
Für welche Unterstützung bist du am dankbarsten?
Zu aller erst bin ich für die Unterstützung meiner Frau Cornelia dankbar. Sie hat so viel erlitten, mitgetragen, ausgeglichen und immer zu mir gestanden. Besonders in den Zeiten persönlicher Angriffe, gescheiterter Projekte und körperlicher Erschöpfung war sie eine wesentliche Unterstützerin beim Wachsen der Familienarbeit.
Dann danke ich den Akteuren der ersten Stunde: Annett Göhre und Reinhard Grohmann, die bis heute die Arbeit mitprägen.
Zum anderen habe ich die Zusammenarbeit in der Landesarbeitsgemeinschaft der Familienverbände immer als fruchtbar und nachhaltig erlebt. Die Dinge, die wir in oft langwierigen Verhandlungen und Gesprächen bewegt haben, sind aus meiner Sicht gewaltig (auch wenn wir immer gern viel mehr bewegt hätten).
Was ist heute noch ganz genau so wie vor 25 Jahren?
Aus meiner Sicht:
1. Erst schauen, was für Familien wichtig ist, dann schauen, wie es finanziert werden kann.
2. Freiraum durch Verantwortungsteilung fördert das Engagement.
3. Unsere christliche Grundhaltung bestimmt bis heute die Art und Weise, wie wir Menschen begegnen und wie wir miteinander umgehen. Das steckt an und strahlt aus.
Was hat sich komplett anders entwickelt als Anfangs gedacht?
Unser Arbeitsschwerpunkt hat sich sehr stark neben der präventiven Arbeit hin zu intervenierenden und beratenden Arbeit erweitert. Alles was wir in den vergangenen Jahrzehnten als Familienpolitik erlebt haben, hat leider nicht zu einer Entlastung und einer stärkeren Wertschätzung von Partnerschaft und Erziehungsleistung geführt. Die Situation für Familien ist vielfältiger und anstrengender geworden. Das hat auch unsere Arbeit verändert.
Welches Ereignis ist rückblickend in den 25 Jahren faz halle für dich das größte Wunder?
Das größte Wunder ist das Wachstum des Teams in der Familienarbeit mit den neuen Standorten und die gewachsene Breite der Angebotspalette mit sehr guter Akzeptanz.
Und ein zweites Wunder ist das Gelingen des Generationenwechsels ohne Profilverlust. Qualität geht vor Quantität ist ein bewährter und immer neu bestätigter Slogan.
Und das zweitgrößte Wunder ist die Tatsache, dass wir finanziell und personell bei allen Schwankungen und Krisen immer gut unsere Arbeit machen konnten. Gott sei Dank!
Gottfried Muntschick