Welche drei Schlagworte fallen dir ein, wenn du an die erste Zeit des faz halle zurückdenkst?
Innovativ, authentisch, dennoch
Welche Rolle hast du in der Geschichte des faz halle gespielt?
Ich bin im September 1999 ins Team gekommen, nachdem es im Februar eröffnet hatte. Die damalige Leiterin hatte sich anders umgesehen und schwupps, schon hatte ich die Leitung inne. Und von nichts eine Ahnung. Doch, Ahnung vielleicht, aber nichts fundiertes. Und so leitete ich das Familienzentrum. Wir waren im faz selbst zu viert mit unserer ersten FSJ-lerin und unserer ersten Praktikantin, die gemeinsam mit mir anfingen. Gottfried hatte Elternzeit. So haben wir uns gemeinsam vorangetastet. Eines der ersten Dinge waren, dass ich eine Website gebastelt hatte. Dann waren halbjährliche Programmhefte zu gestalten und mit Inhalten zu füllen. Da lebten wir sehr stark von den Dingen, die uns persönlich nahestanden und die uns in unserem Familienalltag bewegten. Mein erster Themenabend ging um das Thema Geschwisterstreit. Dann habe ich den Bereich der mobilen Familienarbeit „faz mobil“ entwickelt, der bereits als Thema in der Konzeption von Gottfried angelegt war. Spannend ist, dass das Thema damals fördertechnisch nicht besonders wahrgenommen wurde und nach 20 Jahren Reifezeit dann in einem Modellprojekt für den Saalekreis seine größte Erweiterung finden konnte.
Welche größte Herausforderung musste in der ersten Zeit gemeistert werden?
Wir mussten uns zunächst einen Platz erkämpfen in der Anbieterlandschaft von Familienbildung in Halle. Da war Annett schon weit vorangekommen mit einer gemeinsamen Konzeption der Familienbildung in Halle. Es war einmalig in der gesamten Bundesrepublik, dass sich freie und öffentliche Träger über eine Zusammenarbeit in der Stadt verständigten. Und es ging zunächst nur um Inhalte und nicht um das Geld.
Das nächste war Bewusstseinsarbeit, dass wir nicht nur für die Christen in der Stadt Anlaufstelle waren, sondern als Familienbildungsstätte mit Familien arbeiten unabhängig der Herkunft und des Glaubens. Unser verbindendes Thema war die Familie. Unser Hintergrund war das christliche Menschenbild. Und dazu rangen wir immer wieder um praktikable Lösungen. Wir brauchten Platz, so konnten wir die Turnhalle mit Fördergeldern sanieren. Dies kostete einiges an Kräften und ich frage mich heute noch, wie wir das schaffen konnten. Annett war zwischendrin in der Schulsozialarbeit bei der Villa beschäftigt, ihre Stelle hatten verschiedene ABM-Kräfte ausgefüllt, die aber keinen pädagogischen Abschluss hatten, Gottfried war kaum da und wir hatten unsere jüngste Tochter gerade geboren. Das war echte Rush-hour des Lebens. Dann wurde nach 2 Jahren wichtig, die Personalfinanzierung aus dem Topf der Arbeitsagentur über ABM in eine Regelfinanzierung zu überführen.
Welche normale Praxis aus dem Arbeitsalltag wäre heute undenkbar?
Wir saßen morgens und mittags gemeinsam in der Küche und machten dort Pause. Manchmal gab es Fruchttörtchen vom Bäcker. Und die Themen, die wir heute in Dienstberatungen bewegen, wurden auf dem kurzen Weg beim Essen geklärt. Wie in einer kleinen Familie. Annett war die Mama und ich der Papa. Heute sind wir eher ein kleines mittelständisches Unternehmen, in dem es mehr Strukturen braucht.
Was ist für dich der größte Meilenstein bzw. die größte Weiterentwicklung in den 25 Jahren faz halle?
Der erste größte Meilenstein war die gemeinsame Konzeption mit der Stadt und die vielen Projekte, die sie in Kooperation losgelöst von jeglicher Konkurrenz gab. Der nächste Meilenstein war die Ausweitung der mobilen Arbeit ins ganze Land. Da spielte die Elternschultüte als mehrjähriges Großprojekt eine wichtige Rolle. Von den Ideen dazu zehren wir noch heute. Ein Meilenstein war der Einsatz von vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durch die Arbeitsagentur durch die „Eurojobs“. Da mussten wir erst einmal Leitungsstrukturen entwickeln. Und als Gottfried nach seinem Einsatz im Landesverband als Generalsekretär wieder in die Familienarbeit kam, nahmen wir noch einmal Schwung. Es gab nun mehr hilfreiche Strukturen.
Und der letzte große Meilenstein war der erste Schritt des Generationenwechsels mit Magdalena in der Geschäftsleitung, verbunden mit starken Aufwüchsen. Jahrelange Arbeit auf politischer und inhaltlicher Ebene und das Bohren wirklich dicker Bretter haben uns zu einem verlässlichen Partner für Stadt und Land werden lassen. Die Folge war weitere geförderte Projekte, die unser Team haben stark wachsen lassen. Das beschäftigt uns immer noch und wir ringen um gute Lösungen in der gemeinsamen Arbeit und in der Teamkommunikation.
Für welche Unterstützung bist du am dankbarsten?
Der allergrößte Dank geht an meine Frau. Sie hat im Hintergrund dafür gesorgt, dass ich mich in der Familienarbeit austoben und entwickeln konnte. Unsere Kinder waren oft auch mit an Deck, so dass eine unserer Töchter einmal sagte: „Papa, wir sind doch sowieso deine Versuchskaninchen“. Danke, dass sie das so mitgemacht haben, auch wenn sie natürlich ganz viel auch profitierten von den echt schönen Aktionen.
Sehr dankbar bin ich, dass der Landesverband uns sehr viel Vertrauen geschenkt hatte. Wir waren wie eine kleine Enklave und konnte so unter dem großen Dach des CVJM unser Profil entwickeln. Und dass sie uns haben gehen lassen, um den eigenen Verein „CVJM Familienarbeit Mitteldeutschland e.V. zu gründen. Dankbar bin ich auch über das gute Miteinander mit den Verantwortlichen in Stadt und Land. Und dankbar bin ich für alle im Team, die mich so sein lassen, wie ich bin mit den Ideen und oft unfertigen Baustellen … Und es dennoch schaffen, dass ich nicht so bleiben muss, wie ich bin.
Was ist heute noch ganz genau so wie vor 25 Jahren?
Wir haben mal eine Spruchkarte gemacht: „Familienleben ist eine Versuchsanordnung zwischen Versuch und Irrtum“. Das ist heute noch genau so auch in der Familienarbeit. Wir versuchen vieles und irren uns gerne. Dann wissen, wir, was nicht geht, aber vorher glauben wir es nicht, nur weil jemand anderes sagt, dass das nicht funktioniert. Wir probieren gerne aus. Und wir entwickeln weiter. Und das machen alle mit. Das finde ich so schön. Ein Team von Menschen, die sich den Weg freikämpfen, neue Wege beschreiten. „Wir wissen nicht wie es geht, haben aber Lust am Ausprobieren, wie es gehen kann“. So habe ich es kürzlich in einer kooperierenden Kirchengemeinde gesagt. Das macht uns aus.
Was hat sich komplett anders entwickelt als Anfangs gedacht?
Dass wir an so vielen Orten in der Stadt unsere Bezugspunkte haben, war überhaupt nicht im Plan. Aus stadtplanerischen Gründen mussten wir uns einen Standort in der Südstadt suchen. Dann kam der Qualitätssprung zum Ausbau der Gebäude im Gesundbrunnen zum Gemeinde- und Familienzentrum. Im halleschen Osten versuchte ich vor etwa 15 Jahren, Fuß zu fassen und Kooperationen zu entwickeln, das war aber politisch damals nicht gewollt – das Feld sollte ein anderes Familienzentrum beackern. Und nun haben wir enorme Stellenaufwüchse genau in diesem Bereich. Das Bürgerzentrum Christuskirche nimmt eine atemberaubende Entwicklung.
Die Arbeit mit Familien im frühkindlichen Bereich hatten wir laut Hallescher Familienbildungskonzeption anderen Familienzentren in Halle überlassen. Und nun sprießt eine Krabbelgruppe nach der anderen aus dem Boden. Dazu die Spielgruppen, Eltern-Kind-Gruppen und vieles mehr.
Welches Ereignis ist rückblickend in den 25 Jahren faz halle für dich das größte Wunder?
Ich habe den Eindruck, dass neben dem, was wir tun und denken, im Hintergrund ein himmlisches Komitee vorsorglich schon Beschlüsse fällt und Wege ebnet. Im Team haben sich wunderbare Menschen zusammengefunden. Wir sind uns einig in dem, was wir wollen und geben das, was uns möglich ist. Unsere finanziellen Jahresplanungen sahen zu Jahresbeginn immer katastrophal aus und am Ende war immer ein bisschen übrig. Es gab Zeiten, in denen im September die Hälfte der städtischen Förderung des laufenden Jahres gekürzt werden sollte. Das Land wollte sich aus der Finanzierung verabschieden. Und es ging dennoch weiter, auch wenn wir schon Änderungskündigungen geschrieben und beim Arbeitsamt die drohende Arbeitslosigkeit gemeldet hatten. So hatte ich es auch im Ministerium in Magdeburg gesagt auf die Frage von Kolleginnen aus anderen Familienzentren, wie wir denn umgehen mit den immer nur jährlichen Förderzusagen und der Verbindlichkeit unbefristeter Anstellungen: Mut und Gottvertrauen.
Wenn unsere Arbeit gesegnet ist, dann dürfen wir – nicht, ohne unser Denken auszuschalten – dennoch mutig vorangehen. Und dass dieses Urvertrauen nie enttäuscht worden ist, das ist für mich das größte Wunder. Möge es dabei bleiben.